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Vettel: der neue Liebling

Ein einziger Punkt fehlt dem 24jährigen Deutschen zum zweiten WM-Titel. Genaugenommen ist er schon nach seinem Sieg in Singapur Weltmeister, denn es ist unwahrscheinlich, dass Jenson Button die letzten fünf Rennen gewinnt und Vettel diesen einen Punkt nicht mehr an Land zieht.

Singapur war der 19. Grand Prix–Sieg seiner Karriere. Singapur war zugleich sein neunter Sieg heuer, viermal stand er als Zweiter am Podium, elfmal ging er von der Pole ins Rennen. Seine Dominanz erinnert an die große Zeit von Michael Schumacher, an die Jahre wo ein Lauda, Prost, Senna oder Mansell alle Statistiken neu geschrieben haben.

Vettel ist die Speerspitze in einem Red Bull-Team, das in relativ kurzer Zeit in der Formel 1 zum Maß aller Dinge geworden ist. Die Positionen dort sind optimal besetzt, was ein paar Jahre gedauert hat, denn in der Formel 1 regiert nun mal das «hire-and-fire» Prinzip, aber seit zwei Jahren rennen die etablierten Teams wie Ferrari und McLaren den Bullen hinterher.

Es nicht nur Adrian Newey, der für diese Dominanz die Hauptverantwortung trägt, es ist die gesamte Mannschaft: Red Bull Racing ist gewissermaßen der FC Barcelona der Formel 1 geworden.

Hatte Schumacher seinerzeit bei Ferrari quasi ein Wunderteam um sich, mit dem er jahrelang aus der Formel 1 eine Formel Schumacher machte, so könnte auch ein Vettel ohne sein Super-Team, das ihm ein Super-Auto hinstellt, nie zum Seriensieger werden. Aber man sieht ja: Gäbe es den Sebastian nicht, mit Mark Webber als Nummer eins, wäre der WM-Titel trotz Super-Auto nicht drinnen.

Vettel ist in seiner Art einmalig. In ihm steckt die Weiterentwicklung jener Fähigkeiten, die schon frühere Weltmeister ausgezeichnet haben: da sehe ich die Logik von Niki Lauda, die Kampfkraft eines Ayrton Senna, das «Bergeversetzen» von Nigel Mansell, die Zielstrebigkeit eines Alain Prost, den «natural speed» eines Michael Schumachers. Aber das wirklich bemerkenswerte ist, wie er mit diesen extremen Fähigkeiten, die aus einem Menschen, nicht unbedingt einen netten Menschen machen, umgeht: der 24jährige Junge ist auch als jüngster Doppel-Weltmeister der Grand Prix-Geschichte immer noch total erdverbunden.

«Seb» wie ihn die Engländer nennen, ist ein Weltmeister der Herzen.

Helmut Zwickl
Helmut Zwickl

Kolumne Zündkerzen Helmut Zwickl berichtete von über 560 Formel 1 Grand Prix. Er fuhr mit Jochen Rindt nach Monaco, mit Fangio um den Nürburgring und flog mit Niki Lauda im Privat-Jet nach Longbeach. Er schrieb 16 Bücher über Motorsport und gründete 1993 zusammen mit Michael Glöckner die Ennstal-Classic.

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