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30 jahre dabei – Daniel Reinhard

In 30 Jahren Ennstal-Classic durchlebte der Schweizer Journalist und Fotograf Daniel Reinhard das Autofahren im „letzten Paradies“ praktisch aus jedem Blickwinkel. Für uns kramt er nicht nur in seiner Fototasche nach den besten Aufnahmen, sondern gibt auch g‘schmackige Erinnerungen preis.

Man schrieb das Jahr 1991 als eine Oldtimer-Rallye, in einem der vielen F1-Fahrerlager, bei Kaffee und Kuchen zum Thema wurde. Ich saß gemeinsam mit Helmut Zwickl und Michael Glöckner am runden Tisch und mit Handschlag willigte ich ein: Sollte es zu einer „Ennstal-Classic“ in der Steiermark kommen, würde ich diese fotografisch begleiten. Dass davon in den Folgejahren 30 Wiederholungen stattfinden würden, ahnte keiner von uns. Einzig und allein die Corona-Pandemie konnte einmalig eine Austragung verhindern.

Schon ein Jahr später war es dann tatsächlich soweit, 41 Autos standen am Start. Mit dem Auftrag der Wiener „autorevue“, gemeinsam mit Edelfeder Herbert Völker eine Geschichte über den Fiat 1100S MM von 1948 zu fotografieren, kam ich erstmals ins Ennstal. Herberts Reportage begann unter dem Titel: „La Forza del Destino – Die Macht des Schicksals“ wie folgt: „Ich (Helmut Zwickl) mach eine Rallye für klassische Autos. Sie ist einmalig. Ennstal, Berge, Dachstein, die Schrecken des Eises und der Finsternis. Wir, der Glöckner und ich, laden nur die Besten ein. Die Besten aus der klassischen Szene, mit ihren geilen Geräten, 904 GTS und so weiter, und die Besten aus der anderen Welt, den Röhrl, den Wendlinger, den Wittmann.“ Ich unterbrach ihn: „Ich stelle mich.“ So zählten Herbert und ich wohl auch nicht zu den Übelsten aus der anderen Welt, denn wir zwei waren ja nun plötzlich Teil davon. Der Beste hatte am Ende auch die Premiere gewonnen: Walter Röhrl.

Im Auftrag der Autorevue bei der ersten Ennstal-Classic: Herbert Völker auf Fiat 1100S MM von 1948

Mit der ersten Austragung musste sich noch so einiges einspielen und war daher noch richtig gemütlich, alles lief ruhig und locker vom Hocker und bot genug Zeit um den aerodynamischen Fiat in verschiedensten Locations während der Rallye in Szene zu setzen. Schon im zweiten Anlauf kippte aber die Gemütlichkeit in eine gewisse Hektik für alle, Fahrer, Beifahrer und Fotograf. Die Zeit von Spezial-Reportagen war Geschichte. Einzig mit Adrian Newey und seinem SS100 (1938) gelangen 2001 zwischen den Sonderprüfungen noch so einige Aufnahmen um für „auto, motor und sport“ eine doch etwas andere Bilderstrecke über seine Teilnahme zu gestalten.

Den Slogan „Fahren im letzten Paradies“ nehme ich mir bis heute sehr zu Herzen und versuche Jahr für Jahr die mittlerweile doch sehr stattliche Anzahl von über 200 Autos nicht nur technisch, sondern auch landschaftlich in Szene zu setzen. Dabei hilft natürlich immer wieder das Wetter, denn dieses verändert sich fast stündlich und bietet immer wieder so einiges an Überraschungen. Sonne, Nebel, Schnee und Graupelregen, war alles schon da und jedesmal verändert sich somit die bestens bekannte Landschaft in eine völlig neue! Mit Sommer- und Winterausrüstung im Kofferraum kämpft man sich durch den Tag. Einer meiner Leitsätze besagt: „Je „beschissener“ das Wetter, umso besser die Bilder.“ Doch auch das kann mal zu viel werden. Ein gigantischer „Hochgebirgs-Gewitterregen“ erwischte uns 2010 am Sölkpass, durchnässte mich innerhalb weniger Minuten derart, dass ich nur noch in Unterhose gekleidet – mit voller Heizkraft des 5er BMW – ins Hotel zurückfahren konnte.

Unwetter im Ennstal

Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass man als Fotograf wesentlich gestresster unterwegs ist, denn als Teilnehmer. Denn 2004 nahm ich mit meiner Frau Jeannette selbst an der Rallye teil und genoss die sensationelle Fahrt in meinem 46 PS schwachen Vorkriegs-MG L1 von 1934, eingeklemmt zwischen einem Bugatti 35 und einem Alfa Romeo 8C 2300, und das zumindest solange, wie keine Steigung uns die Kraft für die Verfolgung raubte, über die damals weit mehr als 600 Kilometer lange Tagesetappe. Die mehrmaligen, kurzen Treffen mit dem uns überholenden und natürlich auch schnelleren Konkurrenten Rowan Atkinson, alias „Mr. Bean“, in seinem wesentlich stärkeren Jaguar MK Vll von 1952 – irgendwo in der Pampa – bleiben uns für immer in sehr guter Erinnerung. Genau nach Roadbook ist Zeit und Strecke haargenau vorgegeben, sodass eigentlich nicht viel schief gehen kann. Aber ist man seelenallein als Fotograf, also ohne das genaue Roadbook unterwegs, passiert es nicht selten, dass man stundenlang mit Schnecken, Wasser, oder Schmetterlingen spielt, bis dann endlich klar wird, dass zumindest in diesem Jahr, an dieser Stelle, nie und nimmer ein altes Auto vorbeikommen wird.

Für einen Schweizer ist immer wieder die riesige Begeisterung der Österreicher beeindruckend. Natürlich waren es oft die mitfahrenden, ganz großen Persönlichkeiten wie eben „Mr. Bean“, Brian Johnson von AC/DC, Schauspieler Patrick Dempsey, oder auch Skilegende Hermann Maier, die tausende von Fans mit riesigen Plakaten an die Strecke lockten. Aber nicht selten wurde ich in freier Natur auf mein Schweizer Kennzeichen angesprochen und gefragt: „Sind sie etwa der Herr Reinhard? – ja wissen sie, ich kaufe jährlich den Ennstal-Classic-Kalender und mir gefallen ihr Bilder!“. So ein Kompliment freut natürlich immer wieder.

Mein viel zu früh verstorbener Freund Walter Totschnigg vom Sauber-Team (1939-2008) begann plötzlich die Tage, Stunden und Minuten bis zum nächsten Start auf den Stoderzinken zu zählen. Bei jedem Grand Prix kam er daher und meinte: „Jetzt sind es nur noch 136 Tage 12 Stunden und 38 Minuten, dann kann ich dem Käfer endlich wieder die Sporen geben“. Ganz traurig waren wir beide, als die Rallye zweimal mit dem GP Deutschland in Hockenheim kollidierte und wir doch viel lieber ins Ennstal gefahren wären.

Die Zeit läuft, wir alle haben mittlerweile weit über 10.000 Strafpunkte kassiert und sind um satte 30 Jahre älter, unser Haar ist etwas weniger oder grau geworden. Aber die Ennstal bleibt weiterhin ein sommerlicher Fixpunkt in unserem Leben. Auch wenn oder gerade weil manche Oldtimer im Starterfeld scheinbar weniger schnell altern als ihre Fahrer …