Zum Inhalt springen

Wer war Jochen Rindt wirklich?

Heute würde man sagen: Er war cool. Er hatte seine Ängste, denn Formel I fahren war zu seiner Zeit eine Sache auf Leben und Tod. Und das Überwinden der Angst war damals ein größeres Kriterium als heute die Auswahl der richtigen Reifen. Wenn er im Cockpit saß, war die Angst ausgesperrt, sonst hätte er nicht einen solchen Extremismus ins Spiel bringen können.

Er hatte alles, was einen Rennfahrer ausmacht: sagenhafte Reflexe, Ehrgeiz, Durchsetzungsvermögen, er konnte die schnellsten Abläufe zur Zeitlupe entschleunigen, er hatte den gewissen Killerinstinkt und er konnte auch mit einer Gurke von Auto noch brillieren, was zu seiner Zeit noch möglich war, wo sich ein Fahrer noch viel stärker in das Gesamtpaket einbringen konnte als heute.

Er brachte lässige G’schicht’n aus dem Grenzbereich herüber. Er machte für die TV-Sendung Motorama die Siegerinterviews mit sich selbst. Er war gerade dabei, das große Risiko der Anfangsjahre durch Routine und Reife abzubauen, ohne langsamer zu werden.
Zusammen mit Jackie Stewart kämpfte er für mehr Sicherheit auf Rennstrecken. Die Fundamentalisten unter den englischen Reportern rümpften die Nase: Was wollen die zwei Vollgas-Millionäre? Jetzt haben sie Geld und jetzt wollen sie sich ein schönes Leben machen? Sind das noch Rennfahrer, die ewig leben wollen? Wo kommen wir da hin, wenn Rennfahrer nicht mehr sterben wollen?

Er würde sich totlachen über die heutigen Retorten-Rennpisten mit den Auslaufzonen so groß wie der Salzsee von Utah. Hätte sein Lotus 72 bereits ein Kohlefaser-Monocoque gehabt, wäre er an die Box gelaufen und hätte seine Techniker umgebracht: Was er schon einmal angedeutet hatte, als in Clermont Ferrand die Lotus-Lenkung brach, was ihm seine Crew verheimlicht hatte.

Aber für die Kohlefaser-Epoche starb er um zwölf Jahre zu früh. Er verstand es zu leben. Müsli-Futter und Kraftkammer kannte er noch nicht. Und Jochen wollte nicht ewig Rennen fahren. Er hätte zusammen mit seinem Freund Bernie Ecclestone in der Formel I seinen Claim zum Goldsuchen abgesteckt.

Er hatte Charisma. Jeder in Österreich wollte so sein wie Jochen Rindt, daher kam seine ungeheure Popularität.

Gegen ihn schauen die heutigen Piloten aus wie geklonte Milchbubis.

Helmut Zwickl
Helmut Zwickl

Kolumne Zündkerzen Helmut Zwickl berichtete von über 560 Formel 1 Grand Prix. Er fuhr mit Jochen Rindt nach Monaco, mit Fangio um den Nürburgring und flog mit Niki Lauda im Privat-Jet nach Longbeach. Er schrieb 16 Bücher über Motorsport und gründete 1993 zusammen mit Michael Glöckner die Ennstal-Classic.

Sidebar