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Formel 1 Bilanz nach zwei Rennen

Nach dem Australien-GP lässt sich eine etwas schärfere Bilanz ziehen, als nach Bahrein. Bahrein war ein Saisonstart zum Gähnen, in Melbourne gab es wieder Action. Nach Bahrein wurde das ganze Regelwerk sofort in Frage gestellt – zu recht. Wer aber nach Melbourne sagt, alles in Butter, liegt auch falsch. Melbourne war spannend, weil die Piste feucht war. Regen ist seit jeher das beste Gewürz für die Formel 1-Suppe. Die besten Rennen waren immer jene, wo der Regen Regie führte.

Die heurige Formel 1, und darüber darf auch der Australien-GP nicht hinwegtäuschen, wird geprägt von Motorschonen, Reifenschonen, Benzinsparen. Nur Regen kann das Speed-Limit dieser «Schon-Formel» aufheben.

Da die Bilanz nach zwei Rennen nicht entgültig sein kann, wollen wir die Analyse des Regelwerks nicht zu weit treiben.

Sebastian Vettel und Red Bull legen die Latte. Adrian Newey und seine Techniker haben vorläufig das schnellste Auto gebaut. Zwei sichere Siege gingen jedoch verloren. In Bahrein wars eine defekte Zündkerze, die den Achtzylinder-Renault zu einem Siebenzylinder degradierte, in Melbourne wurde Vettel durch ein Problem an der linken vorderen Bremse ins out kanalisiert.

Die Red Bull Überlegenheit bringt die Gegnerschaft – wie das so üblich ist – auf die Barrikaden der Spekulation. Hat Newey etwas erfunden, daß die Bodenfreiheit zwischen vollgetankt und abnehmender Benzinladung in einem Fenster hält, in dem auch die Aerodynamik optimal bleibt?

Letztes Jahr war es der Doppel-Diffuser der Brawn siegfähig machte, und alle anderen, die von diesem Geistesblitz nicht erleuchtet wurden, in eine Aufholjagd mit heraushängender Zunge getrieben hat.

Das ist doch ein altes Lied in der Formel 1: die Techniker sind immer cleverer gewesen, als die Regel-Macher. Es ist immer wieder faszinierend, daß irgend einem Gehirn etwas einfällt, was zunächst nicht vorstellbar ist. Nehmen wir nur das Luftloch am McLaren, das durch einen Knieschwenk des Fahrers freigegeben wird und dann die Anströmung des Heckflügels stört, damit auf der Geraden weniger Widerstand, sprich ein höherer Topspeed produziert wird.

Das ist genial, und ähnlich genial wird vielleicht jenes System sein, dass den Red Bull so schnell macht.

Im Nachhinein durch eine Neuinterpretation des Reglements solche Geistesblitze zu verbieten, halte ich für einen ähnlichen Blödsinn, wie dieses Einfrieren der Motoren, wo dann einmal Ferrari, dann Renault, oder Cosworth «nachrüsten» dürfen.

Ferrari und McLaren-Mercedes fahren auf Augenhöhe. Das Mercedes-Team von Ross Brawn kann bisher noch nicht mitziehen. Nico Rosberg führt gegen Schumi im internen Quali-Match 2:0. In Melbourne wurde Rosberg Fünfter, Schumi Zehnter. Früher hat Schumi die Rennen aus der ersten oder zweiten Reihe in Angriff genommen, heute steht er weiter hinten und muss sich mit Leuten herumschlagen, die ihm keinen Vortritt lassen. Ich bin neugierig, wie lange Schumi noch freundliche Nasenlöcher macht, wenn er sein Hintennachfahren den Medien erklären muss. Momentan tut er es noch mit viel Charme, ein Charme, der ihm in der letzten Phase seiner Erfolgskarriere bereits abhanden gekommen war.

Kubica und Renault hatten in Melbourne eine unerwartete Sternstunde. Das gibt Auftrieb. Kann aber auch nur eine Eintagsfliege gewesen sein.

Ob Virgin, das HRT-Team oder Lotus, ja selbst Sauber: die werden kaum einen Fuß auf den Boden kriegen. HRT und Virgin haben eigentlich nichts verloren in der Formel 1.

Helmut Zwickl
Helmut Zwickl

Kolumne Zündkerzen Helmut Zwickl berichtete von über 560 Formel 1 Grand Prix. Er fuhr mit Jochen Rindt nach Monaco, mit Fangio um den Nürburgring und flog mit Niki Lauda im Privat-Jet nach Longbeach. Er schrieb 16 Bücher über Motorsport und gründete 1993 zusammen mit Michael Glöckner die Ennstal-Classic.

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